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Mailath schaut ganz schön alt aus [15.11. 2006]

Liebe so genannte Kollegen,
Stefan 'Herzlich' Lutschinger hat uns dankenswerterweise darauf hingewiesen:

In 'profil' 41 (9. Oktober 2006) sagte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny in einem Interview mit Stefan Grissemann unter anderem:

>
... Man sollte jetzt jüngere ranlassen - und endlich wieder einen Dialog beginnen ...
... Wir sind ja längst nicht mehr nur die Arbeiterpartei. Konservativen Widerstand orte ich eher innerhalb der Kunstszene selbst. Als wir unlängst ein avanciertes Förderungssystem für neue Medien eingeführt haben, gab es dagegen Aufruhr unter den älteren Künstlern. Die wollten lieber weniger selbstbestimmt sein und das alte System behalten ...
<

Mit der Äußerung dieses haarsträubenden Unsinns beweist Kulturstadtrat Mailath-Pokorny, dass er in keiner Weise - weder intellektuell noch von Informationsstand, Sachkenntnis und demokratischer Gesinnung her - zur Bekleidung eines öffentlichen Amts ausgerüstet ist, das Bereitschaft zur ausgewogen verteilten Dienstleistung für ausnahmslos alle diesem Ressort zugeordnete Personen zur Bedingung hat.

Statt dessen betreibt er mit leicht durchschaubarer Absicht Mobbing und Diskriminierung, indem er z.B. eben öffentlich unterstellt, dass ältere Künstler prinzipiell den Wunsch hegen, fremdbestimmt zu sein und als Konservative stets das Alte bewahren wollen.

Aus diesen Gründen fordern wir Herrn Kulturstadtrat Mailath-Pokorny zu Folgendem auf:
1.
Informieren Sie sich über die tatsächliche Kritik am 'neuen' Fördersystem, die Beteiligte aller Generationen und aller Berufsgruppen geäußert haben,
2.
ziehen Sie öffentlich Ihre Aussage im profil-Interview zurück und entschuldigen Sie sich öffentlich bei den 'älteren Künstlern' sowie
3.
nehmen Sie den Hut als Kulturstadtrat, Sie sind für diesen Job zur Zeit nicht geeignet und haben auch - was politische Reifung betrifft - keine gute Prognose.


Hier nun unser offener Brief an den Kulturstadtrat:

Der deutsche Bundeskanzler Schröder wurde seinerzeit nach seinen besoffenen Ausrutschern im deutschen Fernsehen einige Zeit lang unter Weglassung aller Titel nur mehr mit 'Herr Schröder' angesprochen. Wir hielten das damals für eine ganz gute Botschaft, deshalb also:

Lieber Herr Mailath!

Selbst nicht mehr wirklich jung, schauen Sie nach ihren Äußerungen im 'profil' noch älter aus:

Schlecht gecoached von Frau Straubinger, aus unreflektierter Gewohnheit oder aus anderen Gründen - Sie lassen wie die 'Alten' in der Politik auch nichts aus: Diffamierung und Rufschädigung durch wortverdrehende oder schlicht erfundene Äußerungen über kritische Personen haben in der (auch sozialdemokratischen) Politik nicht erst seit Kreiskys 'Wurschtl' Günther Nenning oder Moritz' zu psychiatrierendem Thomas Bernhard Tradition und werden zur Zeit munter auch von den unteren Ebenen, z.B. Frau Fassl-Vogler uns gegenüber, betrieben.

Sie outen sich damit (Ihrer Biografie ist es sowieso entnehmbar) als 'alter Hase': in altem politischen Denken geboren und nichts dazugelernt.
Sie selbst sind damit ein herausragendes Beispiel dafür, dass das Besetzen von Positionen mit an Jahren 'Jüngeren' allein gar nichts nützt.

Unsere Künstlerkollegen 'um die 60' haben wohl noch nicht reagiert, weil sie sich wahrscheinlich - orientierungslos geworden durch den rasant vorwärtsstürmenden Demokratisierungsprozess in der Wiener Kulturpolitik - von Ihnen beim täglich rituell praktizierten, verzweifelten Herbeibeten egal welcher Spielart von Fremdbestimmung ertappt fühlen und sich zu Tode genieren. Wir aber genieren uns für gar nichts und schreiben Ihnen daher heute:

Das hätten Sie gern, dass Sie die Künstler vorbereitend auseinander dividieren und ihrer so konstruierten sabbernd-autoritätshörigen Abteilung das sich abzeichnende Scheitern des so genannten neuen Netzkulturfördersystems in die Schuhe schieben können.

Sie scheinen dabei ein begeistert praktizierender Anhänger des einfachen Umkehrschlusses zu sein: wer dem neuen System kritisch gegenübersteht, wünscht sich zwangsläufig das alte wieder und eine Partei, die keine Arbeiterpartei mehr ist, ist zwangsläufig die neue Hochburg der kulturpolitischen Avantgarde. Dass die SPÖ keine Arbeiterpartei mehr ist, wissen wir spätestens seit dem legendären, signifikant hohen Abwandern der Arbeiterschaft hin zur FPÖ Haiders. Dass das den Arbeitern damals ohne größere Gewissensbisse und Skrupel möglich war, zeigt, dass für sie die FPÖ nichts anderes als einfach die bessere SPÖ war und spricht nicht für den damaligen Zustand Ihrer Partei. Dass später die Arbeiter zum Teil wieder leichten Herzens zur SPÖ zurückgewandert sind, legt den Schluss nahe, dass sich für sie die SPÖ jetzt einfach zur besseren FPÖ gemausert hat. Wir gratulieren.

Jedenfalls: es bleibt dabei: Politisch und de jure verantwortlich für alles, was im Zusammenhang mit Kulturförderung in Wien geschieht, sind nicht Alte oder Junge, sondern Sie, Herr Mailath, und - machen Sie sich nichts vor - kein vernünftiger Mensch, am allerwenigsten die an Erfahrung mit Politik und vor allem Politikern (in agierender Einheit mit Beamten) reichen 'Alten', hat den Wunsch, die Fördergeldverteilung wieder - vor allem ohne grundlegende persönliche Entmachtung der in den Institutionen im konkreten Vergabeprozess Tätigen - zurück in ausgerechnet Ihre Hände zu legen.
Aber eine weitere Bestätigung der Wiener Weisheit 'es kommt nie was besseres nach' brauchen wir auch nicht. Wir lehnen das Neue aus denselben Gründen ab wie das Alte, es sind personenbedingte und systemimmanente Gründe:

Wieder zählen nicht die Eigenschaften des geplanten Projekts, sondern wessen Freund man ist, wieder sind die Vorgänge - besonders die Geldflüsse - nicht transparent und werden auch auf mehrfache Aufforderung nicht völlig offengelegt, wieder wird Demokratie vorgetäuscht und Manipulation praktiziert.

Das Neue wäre wie das Alte, bestenfalls (eine gültige Rechtsform des Vergabeprojekts vorausgesetzt) von anderen Personen des gleichen Geists signiert, die zusätzlich Geld kosten.
Um einmal eine Sprache zu sprechen, die jeder, der nie auch nur den kleinen Finger rühren würde, ohne dafür prompt mit Geld oder irgendeinem Gegengeschäft entlohnt zu werden, am ehesten verstehen sollte: Der einzig Unterschied zu früher wäre der erhebliche Aufwand, der von den Beteiligten unetgeltlich und permanent erwartet wird. Diese Investition von Zeit und Energie = Geld lohnt sich aber nicht, denn man bekommt als Gegenleistung nichts als Ärger und die Beurteilung seiner Arbeit durch wild zusammengewürfelte, in direkter Konkurrenz stehende Personen, die noch dazu zum überwiegenden Teil keinerlei Voraussetzungen für diese Jurorentätigkeit, denn um nichts anderes geht es noch immer, mitbringen.

Typischer Fall von unattraktivem, schlechtem Geschäft für Alt und Jung, das Sie uns da anbieten, Herr Mailath.

Mit besten Grüßen
GRAF+ZYX

Anhang: Biografie Andreas Mailath-Pokorny auf dasrotewien.at
Andreas Mailath-Pokorny studierte von 1978 bis 1983 Rechtswissenschaften und daneben auch Politikwissenschaften. 1984/85 besuchte Mailath-Pokorny die Johns Hopkins University School of Advanced International Studies in Bologna, wo er 1985 ein Diplom in 'International Relations' erwarb. Daneben arbeitete er als freier Journalist für diverse Medien, unter anderem für den ORF. 1984 wurde Mailath-Pokorny Studienassistent an der Universität Wien und1988 Mitarbeiter im Kabinett von Bundeskanzler Franz Vranitzky, als dessen Büroleiter er zuletzt tätig war.
Ab 1996 leitete er die Sektion für Kunstangelegenheiten im Bundeskanzleramt.
1998/99 war Andreas Mailath-Pokorny Redaktionsmitglied des 'Weißbuches zur Reform der Kulturpolitik',
von 1999 bis 2000 Aufsichtsratsmitglied in den vier Tochtergesellschaften der Bundestheater. Seit 2001 ist Andreas Mailath-Pokorny Amtsführender Stadtrat für Kultur und Wissenschaft.